Eine Million Schachsets und ein besseres Leben – The Gift of Chess

The Gift of Chess ist eine wohltätige Organisation, die es sich zum Ziel gesetzt hat, bis zum Jahr 2030 eine Million Schachsets auf der Welt zu verteilen. Für das Schach-Magazin 64 interviewte Schachgeflüster-Moderator Michael Busse Russell Makofsky, Mitgründer und Vorstandsmitglied bei The Gift of Chess.

Herr Makofsky, was ist die Vision von „The Gift of Chess”?
Wir möchten das Leben von möglichst vielen Menschen verbessern. Unsere Überzeugung lautet, dass das Schachspiel das Leben zum Positiven wenden kann. Deshalb möchten wir in den nächsten Jahren eine Million Schachsets in alle Länder der Welt verteilen.

Wie finanziert sich The Gift of Chess?
Durch Spenden. Mit 10 Dollar finanziert man bereits ein einzelnes Schachset, mit 50 Dollar ein Schachprogramm aus 5 Sets, und mit 150 Dollar können wir eine ganze Schachcommunity bestehend aus 3 Schachprogrammen zu je 5 Sets zusammenstellen. Je mehr Schachbretter, desto besser. Wenn Sie Ihr Geld sinnvoll einsetzen möchten, spenden Sie bitte. Damit investieren Sie in die wertvollste Ressource der Menschheit, nämlich den
Menschen, unser Gehirn und unsere Fähigkeit, Probleme zu lösen.

Gibt es denn überhaupt so viel Bedarf an Schachbrettern?
Oh ja. Weltweit gibt es ein riesiges Defizit. Vielen Menschen geht es nicht so gut, wie man sich das in der westlichen Welt vorstellt. In den meisten afrikanischen Ländern hat die Bevölkerung keinen Zugang zu einem Schachset. Die wenigsten können es sich leisten, Bretter und Figuren selbst zu kaufen. Daher greifen wir diesen Mangel auf und verteilen die Bretter kostenlos.

Wieviele von den 1 Million Brettern sind denn schon verteilt?
75.000. 50.000 werden derzeit nach Afrika verteilt, mit dem Ziel, jedes afrikanische Land mit 1.000 Sets zu versorgen. Wir haben bereits Ghana, Nigeria, Kenia, Uganda, die Seychellen, den Südsudan, Somalia, Malawi, Sambia, Simbabwe, Tansania und Ruanda erreicht. Die anderen 25.000 wurden in den Vereinigten Staaten verteilt.

Wie begegnen Ihnen die Menschen in Afrika?
Wir werden überall positiv aufgenommen. Wir als Organisation stellen die Schachspiele zur Verfügung, unsere lokalen Botschafter und Freiwilligen erledigen alles andere. Die Menschen sind uns dankbar, denn wir bringen Geschenke. Und damit meine ich nicht nur die Schachspiele, sondern auch eine Perspektive.

Nicht jeder kann durch Schach einen märchenhaften Aufstieg erleben wie die „Queen of Katwe”.
Es gibt auch die Geschichte von Tani Adewumi. Er ist ein Junge aus Nigeria, der das Schachspielen in einer Obdachlosenunterkunft in Manhattan gelernt hat und nun mit 13 Jahren bereits ein FIDE-Meister ist. Oder die Story unseres Mitgründers Tyrone Davis, der dank dem Schachspiel ein Stipendium an einem Top-College in den USA bekommen hat. Aber es geht nicht nur um die Spitzentalente. Alle Menschen können ihr Leben verbessern, wenn sie Schach spielen. Durch Schach passiert nur Gutes.

Was ist eigentlich Ihr persönlicher Hintergrund?
Ich bin Schachtrainer und Gründer eines Schachprogramms in New York City, das sich auf den Aufbau wettbewerbsfähiger Schulschachteams und -communities konzentriert.

Schachtermine

Und wie entstand dann die Idee zu „The Gift of Chess”?
Es begann 2020 während der Pandemie. Ein Schulleiter in New York fragte mich, ob es möglich sei, alle Kinder dieser Schule mit Schachsets auszustatten. Ich überlegte mir: Warum soll man das nicht ausweiten? Dadurch entstand das Ziel, allen 10000 Schüler in Brooklyn und Manhatten ein Schachset zu schenken. Dank unserer Spendenkampagne auf gofundme.com hat das geklappt.

Mittlerweile verteilen Sie die Schachsets aber eher in Afrika?
Ja. Zunächst flog unser Mitgründer Tyrone Davis nach Lagos in Nigeria. Er traf sich dort mit dem Gründer der Organisation „Chess in Slums”, Tunde Onakoya, und brachte ihm 500 Schachbretter mit. Er besuchte Makoko, das größte schwimmende Slum in Afrika, und verschenkte dort die Bretter. Dabei bemerkte er, wie sich die Menschen und besonders die Kinder für das Schachspiel interessierten.

Wie ging es weiter?
Wir führten einen gemeinsamen zweiten Trip nach Afrika durch, dieses Mal mit 5000 Brettern. Wir verteilten sie in Kenia, Nigeria, Ghana und Uganda. Dabei wurde uns immer bewusster, dass der Hunger nach Schach und die Begeisterung für das Spiel immens sind. Und das nicht nur in den genannten Ländern, sondern auf dem gesamten afrikanischen Kontinent. Schach ist ein universelles Spiel, es hat in Westafrika die gleiche Berechtigung wie in New York oder in Europa.

Schach spielende Kinder in Tansania
Fotos: Archiv Makofsky

Inwiefern hilft den Menschen das Schachspiel?
Schach eröffnet ihnen neue Möglichkeiten und zeigt ihnen, wozu sie fähig sind. Viele wohltätige Organisationen haben schon Dinge nach Afrika gespendet: Geld, Nahrung, Kleidung. Aber was bitte schön ist denn effektiver und gleichzeitig kostengünstiger als Schachsets? Schach hat so viele positive Auswirkungen auf die Gesellschaft. Es ist ein Katalysator für positive Veränderung.

Welche Veränderungen sind das?
Zum einen ist Schach ein wertvolles Instrument in der Erziehung. Es trainiert das strategische Denken und kann dazu genutzt werden, um Hochbegabte zu identifizieren, die dann in einer akademischen Karriere weiter gefördert werden können. Außerdem gibt es den sozialen Aspekt.

Wie würden Sie den sozialen Aspekt näher beschreiben?
Schach verbindet die Menschen, es bringt sie einander näher. Es baut Brücken über verschiedene gesellschaftliche Schichten, Rassen, Religionen, Geschlechter und Generationen. Beim Schach sind alle gleich. Ein Staatsoberhaupt kann einem Kind aus dem Slum am Schachbrett gegenübersitzen, und beide sind vollkommen gleichberechtigt.

Schach hilft auch Menschen in schwierigen Lebenslagen.
Absolut. Schach ist ein wunderbares Instrument, um Flüchtlingen ein Zuhause zu geben und sie zu integrieren. Gefängnisinsassen kann es bei der Resozialisierung helfen. Es lenkt vom Alltag ab und kann Einsamkeit lindern. Durch Schach kannst du in deiner Umgebung neue Leute kennenlernen und Verbindungen mit ihnen aufbauen.

Wird Schach überall auf der Welt positiv aufgenommen?
Ja, Schach hat einen enorm guten Ruf. Es wird weltweit als wertvoll anerkannt, es ist eine globale intellektuelle Währung. Egal wo auf der Welt du ein Schachbrett hinlegst, du tust immer etwas Gutes. Schach ist eine universelle Sprache, die es uns ermöglicht, Menschlichkeit und Liebe zu teilen.

Was sind Ihre konkreten nächsten Schritte?
In Kürze wird Tyrone Davis wieder nach Afrika fliegen, und zwar nach Accra, die Hauptstadt von Ghana. Er wird sich dort nicht nur um die Verteilung der 20000 Sets kümmern, sondern auch den Aufbau einer Schachmanufaktur leiten. Wir werden künftig Schachsets direkt in Afrika herstellen. Dadurch entstehen wertvolle Arbeitsplätze, es wird Knowhow aufgebaut.

Bekannte afrikanische Schachpersönlichkeiten stehen auch an Ihrer Seite.
Ja, zum einen ist Tunde Onakoya von „Chess in Slums” nun Vorstandsmitglied bei The Gift of Chess. Und vor kurzem hat auch Susan Namangale die Rolle als Global Head übernommen. Sie war früher die Präsidentin des Schachverbandes von Malawi und auch Mitglied der FIDE-Frauenkommission.

Welchen Kontinent haben Sie außer Afrika noch im Blick?
Unser nächstes Projekt ist Amerika. Es gibt 41 Länder von Kanada bis nach Argentinien, und wir möchten in jedem Land jeweils 1000 Schachsets verschenken. Wir hoffen, dass wir die Sets von unserer Manufaktur in Ghana kaufen können. Wir möchten uns aber nicht auf Afrika und Amerika beschränken, sondern die ganze Welt erreichen.

Gibt es auch bekannte Schachspieler, die Sie unterstützen?
Ja, zum Beispiel Sam Shankland, der US-Meister von 2018. Wir sind sehr dankbar dafür, dass er ein Botschafter von The Gift of Chess ist. Auch Abhimanyu Mishra, der jüngste Großmeister der Schachgeschichte, steht an unserer Seite. Der Schach-Youtuber Agadmator hat uns durch einen Charity Stream ebenfalls sehr geholfen.

Es gibt auch eine Gift of Chess App. Welche Funktionen hat die App?
Über die App wollen wir unsere globale Spielergemeinschaft miteinander verbinden. Auf der Plattform können die Spieler trainieren, sich gegenseitig zu Spielen herausfordern und an Turnieren und anderen Veranstaltungen teilnehmen, die von „The Gift of Chess“ organisiert werden.

Eine beeindruckende Vision und viele gute Ideen – das Schach-Magazin64 wünscht Ihnen weiterhin Erfolg!
Herzlichen Dank.


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Das Interview wurde für das Schach-Magazin 64 geführt und kann hier im pdf-Viewer kostenlos angesehen und heruntergeladen werden.