Gewinner und Verlierer der Blitz- und Schnellschach-WM

Die Blitz- und Schnellschach-WM ist vorbei. In diesem Artikel kürt Schachgeflüster die (öffentlichen oder heimlichen) Gewinner und Verlierer. Aber Achtung: Alles Meinungssache.

Gewinner

1 Magnus Carlsen

Der Norweger bewies einmal mehr, dass er die unangefochtene Nr. 1 der Welt ist. Nur eine einzige Niederlage gegen Maxime Vachier-Lagrave musste er einstecken. Zum zweiten Mal in Folge krönte er sich sowohl zum Blitzschach- als auch zum Schnellschachkönig.

2 Anastasia Bodnaruk und Valentina Gunina

Bodnaruk erzielte mit dem Schnellschach-Titel den größten Erfolg ihrer Karriere. Nach 11 Spielrunden stand sie punktgleich mit Lei Tingjie und Humpy Koneru auf dem ersten Platz und konnte das anschließende Play-off gegen Koneru mit 2½ zu 1½ für sich entscheiden.

Im Blitzschach gewann Valentina Gunina, für die es nach 2012 bereits ihr zweiter Erfolg bei einer Blitzschach-WM ist (Photo: Lennart Ootes oder Anastasia Korolkova, via ChessBase India)

3 Alireza Firouzja

Er war gar nicht dabei, gehört aber gerade deswegen zu den Gewinnern. Der Franzose hat durch seinen gleichzeitigen Turniersieg in Rouen den letzten Platz fürs Kandidatenturnier ergattert. Die FIDE entschied sich zwar, das kurzfristig angesetzte Turnier in Chartres nicht zu werten (was nach dieser Pressemeldung durchaus zu erwarten war), doch reichte ihm seine 7/7-Performance in Rouen, um den letzten Platz zu ergattern.

Offen bleibt nur, warum Firouzja seine WM-Absage mit „persönlichen Gründen“ begründete anstatt offen zu bekennen, dass er noch Elopunkte fürs Kandidatenturnier brauchte. Unabhängig davon verbleibt die Aufgabe für die FIDE, den Zugang zu den Plätzen zum Kandidatenturnier neu zu regeln. Das „Race to the Candidates“ wurde in den letzten Tagen zur Farce. Turniere wurden einzig zu dem Zweck angesetzt, die letzten Elopunkte herauszukitzeln. Der sportliche Wert solcher Veranstaltungen ist höchst fraglich. Spieler wie Wesley So, die sich diesem verweigerten, sind nun die Geschädigten.

Hier die abschließende Teilnehmerliste fürs Kandidatenturnier:

4 Jens Hirneise

Der Rochade-Herausgeber war neben Vincent Keymer der einzige männliche deutsche Teilnehmer bei der WM und startete furios ins Schnellschachturnier. Seine Leistung gipfelte in einem Remis gegen Anish Giri. Sicherlich ein tolles Erlebnis für ihn und die Rochade-Leser.

5 Roman Shogdzhiev

Vor wenigen Tagen erregte die 8-jährige Engländerin Bodhana Sivanandan Aufsehen, indem sie bei der Blitzschach-EM in Kroatien die beste weibliche Spielerin wurde und gegen einen Großmeister remisierte.

Nun tat es ihr ein ebenso 8-jähriger Junge nach, nämlich Roman Shogdzhiev. Er gewann gegen zwei Großmeister und zwei Internationale Meister. Außerdem ergatterte er noch ein Foto mit dem alten und neuen zweifachen Weltmeister (Foto: ChessBase India).

Den Namen Shogdzhiev wird man wohl noch öfters hören.


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Verlierer

1 Der FIDE-Dresscode

Schon am 22. Dezember war das Ungemach abzusehen. FIDE-Generalsekretär Emil Sutovksy veröffentlichte ein caveat: Achtung, Kleidungskontrollen!

So kam es, wie es kommen musste, die holländische Spielerin Anna Maja Kazarian – ansonsten sehr stylish gekleidet – musste 100 Euro Strafe zahlen.

Der Grund: Schach möchte zwar Sport sein, doch Sportschuhe sind laut FIDE-Dresscode (übrigens für Männer und Frauen gleichermaßen) verboten.

Damit schaffte es das Schach sogar mal wieder in die New York Times – immerhin besser als mit Analperlen.

2 Lei Tingjie

Die Chinesin bot – mit Chancen auf Gold – bereits nach drei Zügen Remis gegen die spätere Gewinnerin Bodnaruk und wurde dadurch lediglich Dritte statt Schnellschach-Weltmeisterin. Susan Polgar reagierte „completely shocked“.

Die Meinungen sind dazu aber durchaus geteilt. In der Schachgeflüster Gruppe halten es viele Teilnehmer mit GM Michael Prusikin:

Lei Tingjie brachte sich jedenfalls damit selbst um eine mögliche Goldmedaille.

3 Daniil dubov und ian nepomniachtchi

Von frühen Remisangeboten noch einmal zu unterscheiden sind vorherige Partieabsprachen. Der wohl größte Aufreger neben dem Dresscode war daher wohl auch das abgesprochene Remis zwischen Dubov und Nepomniachtchi. Beide Spieler gaben sich nicht die Mühe, einige normale Züge zu spielen, sondern zelebrierten ihre Absprache durch eine Reihe sinnloser Springerzüge:

Der überwiegende Teil der Schachgemeinschaft fand das weniger amüsant.

Hauptschiedsrichter Ivan Syrovy bestrafte dieses Verhalten dadurch, dass er die Partie für beide Spieler mit null Punkten wertete.

Den anschließenden Protest gegen diese Entscheidung lehnte die FIDE ab.

Dubov hatte bereits gegen Artemiev ein sehr frühes Remis erzielt.

Als Konsequenz aus den Ereignissen fordert GM Susan Polgar, Remisangebote ganz oder jedenfalls vor Zug 40 abzuschaffen.

Und auch chess.com zog Konsequenzen und kündigte an, in bestimmten Preisturnieren die Möglichkeit (verfrühte) Remisangebote abzuschaffen.

Gleichzeitig Gewinner und Verlierer

Zu Beginn der Blitzschach-WM führte ein Norweger mit 4/4. Es war nicht Magnus Carlsen, sondern GM Johan Sebastian Christiansen. In Runde 4 zeigte er ein taktisches Meisterstück gegen Gukesh, als er in der folgenden Position Lg7!! aus dem Hut zauberte:

Nach 1…Kxg7 kam 2. Dh7+ … Kf8 3. Lxf7!, und …Txf7 verbietet sich wegen 4. Dh8#. Link zur Partie

Zuvor hatte Christiansen jedoch das Pech, im Schnellschach gegen den oben genannten 8-jährigen Roman Shogdzhiev zu verlieren.

Link zur Partie

Und Vincent Keymer?

Platz 46 im Schnellschach und Platz 27 im Blitzschach ist für die 19-jährige Nummer eins sicherlich nicht dramatisch. Dennoch lagen die Erwartungen nach dem sensationellen Vizeweltmeistertitel im Schnellschach 2022 etwas höher.

Laut Terminplan auf Keymers Homepage kann er sich nun einige Tage erholen, bevor es am 9. Februar nach Weißenhaus an die Ostsee zum Chess960-Superturnier von Jan Henric Buettner geht.

Die weitere deutsche Teilnehmerin Dinara Wagner landete im Schnellschach auf Rang 25 und im Blitzschach auf Platz 33.

Schachgeflüster bedankt sich bei allen Lesern und Podcasthörern für das Schachjahr 2023 und freut sich auf das kommende Jahr, mit den Highlights Kandidatenturnier (3.-25. April in Toronto) und Schacholympiade (10.-23. September in Budapest) und natürlich der Schachbundesliga (nächster Spieltag 13./14. Januar).