#183 | Geschenk aus China (mit Xenia Bayer)

Xenia Bayer berichtet den Hörern ihres Podcasts „Schach für Kinder“ heute von einem speziellen Geschenk aus China. Dabei handelt es sich um das Spiel Xiangqi, das dem Schachspiel zwar ähnlich ist, aber doch viele Eigenheiten hat. Ob Xenia sich künftig vom Schach abwendet und nur noch Xiangqi spielt?

Die Folge passt gut zur Episode 179, dem Interview mit dem deutschen Rekordmeister im Xiangqi, Michael Nägler.

Viel Vergnügen beim Zuhören!

Episodenskript

Hallo liebe Zuhörer,
ich heiße Xenia Bayer und das ist mein Podcast „Schach für Kinder“! Die 29.Folge: „Ein schönes Geschenk aus China“

Das Xiangqi-Brett

Vor mir auf dem Tisch liegt ein Geschenk aus China: Das ist ein Holzbrett, sehr ähnlich dem Schachbrett. Allerdings besitzt mein Geschenk keine schwarzen oder weißen Felder, sondern ein Gitternetz aus Linien. Das Brett selbst ist weiß und die Linien sind schwarz gemalt. Es sind: eins, zwei, drei…neun senkrechte- und zehn waagerechte Linien. Die zwei Hälften des Brettes sind von einem dicken Streifen, auf dem zwei große schwarze chinesische Schriftzeichen gemalt sind, voneinander getrennt. In jeder Bretthälfte gibt es ein Quadrat mit zwei Diagonalen. Es ist ein klappbares Brett.

Das Innere des Bretts

Schauen wir mal, welche Schätze im Inneren des Brettes versteckt sind: 32 runde Spielsteine aus Holz, rot und schwarz beschriftet. Die Symbole auf den Steinen sind verschieden: Einige sehen für mich wie eine Schlange, die anderen wie ein roter Drache aus. Ich habe also ein chinesisches Schachspiel geschenkt bekommen!

Die Entstehung des Xiangqi

Das Schachspiel heißt Xiangqi (Hsian-tschi) und bedeutet „Elefantenbrettspiel“. Xiangqi ist eine Variante des Schachspiels, die in China und in asiatischen Ländern weit verbreitet ist, eine halbe Milliarde Menschen spielen es. Xiangqi entwickelte sich der Geschichte nach aus einem Strategiespiel Weiqi (Weitschi)- Go, das 2000 v. Chr. gespielt wurde. Über die Entstehung von Xiangqi schreibt zeit.de: „Offenbar hat sich im
Einzugsbereich des Gelben Flusses bereits vor rund 2.200 Jahren ein Denksport namens Xiangqi entwickelt… Als Vorbild diente wohl die
Entscheidungsschlacht von Gaixia, bei der im Januar 202 vor Christus der Teilstaat Han die Streitkräfte seines Erzrivalen Chu vernichtend schlug und zur dominierenden Macht im Reich der Mitte aufstieg. Entsprechend versuchen die Gegner im Szenario des Xiangqi, ihre Truppen über einen Grenzstrom zu führen und den gegnerischen Palast zu stürmen, hinter dessen virtuellen Mauern sich der feindliche Herrscher verschanzt.“

Im Laufe der Zeit wurden die Spielfiguren, das Brett selbst und einige Regeln geändert. Das moderne Xiangqi ist das Spiel aus dem 12.
Jahrhundert. Ich würde gerne Xiangqi spielen und lade euch ein, mit mir die geheimnisvolle Welt des chinesischen Schachs kennen zu lernen!

Die Figuren

Wie im klassischen Schach spielen im chinesischen Schach zwei Gegner miteinander. Das Ziel ist es den Gegner matt zu setzen. Jeder Schachspieler hat eine eigene Armee: Im Palast (das ist das Quadrat mit den Diagonalen) sitzt der General (Feldherr), links und rechts von ihm steht ein Mandarin (der Leibwächter). Neben dem Palast sind jeweils zwei Elefanten und Pferde. In den Ecken stehen zwei Wägen. Diese Figuren bilden die erste Reihe, werden allerdings auf die Schnittpunkte der Linien anstatt auf die Felder gesetzt. Es gibt noch zwei Kanonen und fünf Soldaten. Die Kanonen stehen zwei Reihen vor den Pferden und die Soldaten platzieren sich auf den Schnittpunkten der vierten Reihe mit einem Feld Abstand. Auf den Startfeldern der Kanonen und der Soldaten sind Markierungen als Kreuzungen aufgezeichnet.

Die Zugweise der Figuren

Der General, schuai auf chinesisch, darf den eigenen Palast nicht verlassen. Pro Zug ist ein Schritt senkrecht oder waagerecht erlaubt. Er kann insgesamt nur 9 Felder betreten. Zwei Generäle dürfen nur dann auf der gleichen Linie stehen, wenn eine andere Figur dazwischen steht. Sonst werden sie gegenseitig einem Todesblick ausgesetzt!

  • Der Mandarin (schrrr) darf nur innerhalb des Palastes ein Schritt diagonal ziehen. Er ist eine Verteidigungsfigur und bleibt beim Feldherrn. Der Mandarin hat nur 5 Felder zur Verfügung.
  • Der Elefant (chjiang) zieht zwei Schritte diagonal, kann aber den Fluss, der das Schachbrett in zwei Reiche: Rot und Schwarz einteilt, nicht überqueren. Seine Aufgabe ist es, das eigene Reich zu schützen. Ein Elefant kann deswegen nur sieben verschiedene Punkte erreichen, vorausgesetzt es blockiert keine andere Figur die Richtung. Der Fluss heißt übrigens der Gelbe Fluss. In Wirklichkeit ist der Gelbe
    Fluss, auch Huang He genannt, der zweitlängste Fluss Chinas.
  • Das Pferd (maa) zieht genauso wie der klassische Springer, darf aber die anderen Figuren nicht überspringen (heißt es deswegen Pferd und
    nicht Springer?).
  • Der Wagen (dsu) hat die gleiche Gangart wie der Turm im klassischen Schach.
  • Wie der Wagen zieht auch die Kanone (pao), schlägt sowohl horizontal als auch vertikal die übernächste Figur. Die Kanone sagt man „schießt
    über den Berg“, der Berg muss in diesem Fall die nächststehende Figur sein. Gibt es keine Figur dazwischen, kann die Kanone nicht schlagen.
    Diese Zwischenfigur kann auch eine gegnerische Figur sein. So kann die Kanone den General mithilfe von seinen eigenen Untertanen in Schach setzen.

Ein interessanter Fakt: Die Regeln von Xiangqi haben sich seit dem 12. Jh. nicht geändert. Das heißt, dass es in China bereits im 12. Jh. die Kanone gab. In Europa kam sie erst im 14.Jh. zum Einsatz.

  • Die Soldaten (bing) dürfen den Fluss überqueren. Bis zum Fluss ziehen sie einen Schritt gerade aus, nach der Überquerung des Flusses dürfen sie
    auch nach links oder rechts ziehen. Genauso schlagen die Soldaten. Erreichen die Soldaten die Grundreihe, werden sie aber nicht wie die Bauern im klassischen Schach umgewandelt und können nur seitlich ziehen.

Der Wert der Figuren

Alle Figuren haben hier auch einen Wert. Allerdings ist der Wert der Figur stark von der Spielsituation abhängig. In der Eröffnung ist das Pferd viel schwächer als im Endspiel, da es am Anfang leicht blockiert werden kann. Es ist mit 4 Punkten eine der stärksten Figuren auf dem Brett. Die Kanone hat einen Punkt mehr. Die stärkste Figur ist der Wagen mit 10 Punkten. Alle anderen Figuren sind 2 Punkte wert, bis auf den Soldaten, der am Anfang nur einen Wertpunkt hat und nach der Flussüberquerung bis zu 2 Punkte mehr bekommt (verdient!)

Patt siegt!

Die Spielregeln besagen, dass der General nicht nur mattgesetzt werden darf, sondern auch durch Patt gefangen genommen wird. Das heißt, Patt
wird im chinesischen Schach als Sieg bewertet! Es gibt keine Sonderzüge wie Rochade oder en passant. Das Dauerschach ist verboten. Ein Spiel ist unentschieden, wenn keiner von den Gegnern gewinnen kann, z.B. besitzen beide Seiten keine Figuren, die den Fluss überqueren können.

Alle Figuren und einige Regeln haben wir bereits kennengelernt. Jetzt geht’s los!

Beispielspartie

Ein altes Manuskript aus China, datiert zwischen 960 und 1126 n. Chr., bietet uns eine Mittelkanonen-Eröffnung an, die ich gleich ausprobiere.
Die Notation hier ist adaptiert und somit für klassische Schachspieler leicht verständlich. Rot eröffnet die Partie.

  1. Zug: die Kanone von der h-Linie zieht auf die 3. Reihe der e-Linie. Schwarz antwortet mit der Kanone von der h-Linie auf die 8. Reihe der e-
    Linie. Die Kanonen werden auf die zentralen Linien gebracht, so drohen sie aus großer Entfernung den General anzugreifen. Im Moment sind die
    zentralen Soldaten angegriffen.
  2. Zug: Pferd auf die 3. Reihe der g-Linie. Schwarz holt sein Pferd auch raus: 8.Reihe der g-Linie. Das Pferd ist auch eine starke Bedrohung, wenn es auf der gegnerischen Seite ist, deswegen soll es vorausreiten. Es schützt zudem den zentralen Soldaten.
  3. Zug: Der Wagen kommt auf die 1. Reihe der g-Linie. Hier folgt Rot der chinesischen Weisheit: „Ist ein Streitwagen in den ersten drei Zügen
    nicht bewegt worden, ist er für das Spiel verloren“. Die Kanone, das Pferd und der Wagen bilden eine starke Eröffnung. Schwarz deckt
    seinen Soldaten auf e7 mit dem Pferd c8.
  4. Zug: Rot greift den schwarzen Soldaten g7 mit dem Wagen auf der 5. Reihe der g-Linie an. Schwarz antwortet mit c6: der Soldat zieht auf
    die 6. Reihe der c-Linie. Schwarz mach den Weg frei für das Pferd c8.
  5. Zug: Roter Wagen schlägt den Soldaten g7. Schwarz aber reitet vor: das Pferd auf die 6. Reihe der d-Linie.
  6. Zug: Roter Wagen zieht auf die 6.Reihe der g-Linie. Will hier Rot einen Doppelangriff (auf das Pferd d6 und den Soldaten c6) ausführen?
    Das Schwarzes Pferd macht noch einen Sprung nach vorne: f5.
  7. Zug: der rote Soldat blockiert das Pferd mit g5 (und macht dem eigenen Pferd g3 den Weg frei). Schwarz spielt Elefant auf i8 und
    attackiert den roten Wagen g6.
  8. Zug: Der rote Wagen schlägt den Soldaten auf c6 und rettet sich von dem Elefantenangriff. Das schwarze Pferd ist nicht aufzuhalten: d4.
  9. Zug: Rot versucht mit dem Wagen d6 das schwarze Pferd zu jagen. Aber es ist zu spät! Das Pferd setzt den roten General auf c2
    schach! Das schwarze Pferd gewinnt den roten Wagen durch Gabel. Die stärkste Figur von Rot ist weg. Die Partie endet hier.

Was haben wir bereits gelernt?

⁃ die Schwerfiguren müssen am Anfang entwickelt werden
⁃ die Kanone kann aus einer großen Entfernung angreifen, am besten steht sie zentral
⁃ das Pferd ist auf der gegnerischen Seite sehr stark
⁃ die Soldaten sollen dem eigenen Pferd den Weg öffnen und ggf. das gegnerische Pferd blockieren
⁃ der Wagen soll spätestens im 3. Zug aus seiner Ecke ziehen
⁃ der Elefant ist die zentrale Verteidigungsfigur, die das eigene Reich schützt
⁃ der General wird leicht durch das Pferd gezwungen aus der Deckung zu ziehen
⁃ Gabel oder Doppelangriff spielt hier wie im klassischen Schach eine wichtige Rolle
⁃ keine Königsopposition ist erlaubt (Todesblick)

Fazit

Xiangqi ist eine sehr interessante Variante des Schachspiels und auch für erfahrene Schachspieler eine neue Herausforderung!
Ich werde Xiangqi unbedingt weiter lernen! Sehr spannend!
…Was war zuerst? Ah! Die Kanone auf die zentrale Linie…

Bis zum nächsten Mal!
Eure Xenia Bayer


Links:

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